Brücken bauen & voneinander lernen

In den letzten Tagen des Jahres 2019 musste ich öfters an meinen Berlin Aufenthalt im November denken. Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit als „Digitalisierungskümmerer“ beim Landkreis Emsland habe ich dort die smart Country convention besucht.

Das waren eindrucksvolle Stunden & Tage in der Bundeshauptstadt mit ganz viel Input zu den Themenfeldern eGovernment, Mobilität, Smart & digitaler Transformation.

Max der Möglichmacher

Aber nicht die unterhaltsamen Tage in Berlin habe mich immer wieder zurückblicken lassen, vielmehr der Impulsvortrag „Digitalisieren in Stadt und Land: Die Möglichmacher“ vom Futurologen Max Thinius hat sich sehr in mein Gedächtnis „gebrannt“.

Max sprach in seinem Vortrag von seinem Leben im Pendelverkehr zwischen Kopenhagen und Berlin und „impulsierte“ immer wieder mit Beispielen aus der Stadt Kopenhagen. Dabei ist hilfreich zu wissen, dass Kopenhagen ambitionierte Ziele verfolgt. Bis zum Jahre 2025 möchte die dänische Hauptstadt die erste C02-neutrale Metropole der Welt sein.

Die Brücke entlang der B70 nahe der Raffinerie in Lingen

Jetzt im tiefsten WINTER 2019/20 musste ich an eins dieser vielen Beispiele denken, als ich nach langer Zeit wieder einmal über die STAHLBÜCKE über den Dortmund-Ems-Kanal in Richtung Meppen gefahren bin und die Taumittelsprühanlage (fleißig wie eine Gartenberegnungsanlage im Hochsommer) aktiv war.

Foto: Julia Mausch/NOZ

Viel hilft viel

Die Erklärung für den winterlichen Aktionismus habe ich dann bei einer Internetrecherche im Archiv der Lingener Tagespost vom 12. September 2019 gefunden:

„Mit der bisherigen geringen Aspahltschicht gab es nämlich bei der Brücke in den Anfangsjahren Probleme. Eisschichten auf der Fahrbahn hatten zu teils tödlichen Verkehrsunfällen geführt und auch die 1987 installierte Taumittelsprühanlage hatte zunächst nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Seit 2011 spezielle Kameras installiert wurden, die die Griffigkeit des Fahrbahnbelags überprüft und im Fall der Fälle dann die Taumittelsprühanlage aktiviert, sind keinen erwähnenswerten Unfälle mehr passiert.

Zum alten Eisen

Nach mittlerweile 40 Jahren scheint die Brücke in die Jahre gekommen zu sein und soll spätestens in 7 Jahren d.h. 2027 ersetzt worden sein. (Lingener Tagespost: B-70-Brücke in Lingen wird abgerissen: Das müssen Autofahrer wissen)

Brückenschlag Dänemark über Utrecht ins Emsland

UND jetzt kommen meine Gedanken bzw. die Impulse von Max ins Spiel, damit es uns im Emsland nicht (wieder) ähnlich ergehen muss wie unseren Nachbarn aus Utrecht mit ihrer Dafne Schippersbrug.

Die Dafne Schippersbrug ist eine Fahrrad- und Fußgängerbrücke über den Amsterdam-Rhein-Kanal und hat die Länge von 110 Metern. Die Brücke ist alleine deshalb schon besonders, weil eine Brückenrampe in elegantem Schwungmitten über eine Schule verläuft. Etwa 7000 Radfahrer nutzen die Brücke täglich. Die im Mai 2017 eröffnete Brücke zeigte jedoch schwächen im Winterbetrieb: bei Minustemperaturen war die Fahrbahn oberhalb des Kanals empfindlich glatt. Die Utrechter Lösung für das Problem lautet: Einbau einer Fahrbahnheizung.

Visionäre und Möglichmacher

Aber zurück zu Max und seinen Kopenhagener Beispielen. Kopenhagen hat (aufgrund der Witterungslage) ähnlich gelagerte Brückenprobleme wie die Kollegen aus den Niederlanden oder wir im kleinen beschaulichen Emsland. Allerdings scheinen die Dänen im Gesamtbild ihrer Ambitionen agiler in Richtung Zukunft unterwegs zu sein.

Oder warum kommt man auf die Idee in einem heruntergekommenen Industriegebiet auf einer Halbinsel vor den Türen der Dänischen Hauptstadt durch den Neubau einer Müllverbrennungsanlage ein dynamisches urbanes Naherholungsgebiet inkl. Wohngebiet entstehen zu lassen um gleichzeitig die Abwärme zur Behebung der Straßen und Brücken nutzen zu können?

Der notwendige Neubau einer Müllverbrennungsanlage für die Dänische Hauptstadt Kopenhagen ist zentrales Element eines Entwicklungskonzepts für die zentrumsnah gelegene Halbinsel Amager. Aus dem ehemaligen Industrieareal entsteht mit dem Kraftwerksneubau ein dynamisches urbanes Naherholungs- und Wohngebiet, wobei der 60 m breite, 200 m lange und bis zu 90 m hohe Gebäudekomplex selber zum direkt Erlebnis für die Öffentlichkeit wird. Auf dem Dach des Amager Bakke (übersetzt: Amager Berg) entsteht ein Landschaftspark mit künstlichen Skipisten, einer Aussichtsplattform, ein wirklichkeitsnaher Berg mit Waldstücken, Wanderwegen und Kletterwänden. 

Die Planungen für die 530 Mio. EUR teure Müllverbrennungsanlage begannen im Oktober 2009. Seit 2017 versorgt die 85 Meter hohe Müllverbrennungsanlage rund 150.000 Haushalte mit Strom und Wärme (weshalb sie möglichst dicht am Stadtkern geplant wurde). Im Oktober 2019 wurde auf dem Dach der Müllverbrennungsanlage eine 450 Meter lange schneefreie Piste eröffnet. Skifahrer müssen für den Wintersport ab sofort nicht mehr nach Norwegen oder in die Alpen reisen. Nun haben sie eine Alternative in der Hauptstadt Kopenhagen. Der Ausblick ist ungewöhnlich.

Willkommen bei den Machern

Zurück in das beschauliche Emsland. Denn das Emsland ist bekannt für seine Macher. Zahlreiche Beispiele für diese innere Haltung der Emsländer gibt es zu genüge. Jetzt wäre es an der Zeit Ideen zu entwickeln, Visionen zu spinnen um gemeinsam mit allen Möglichmachern (eine) sinnvolle Umsetzung(en) zu diskutieren.

Oder glaubt Ihr etwa nicht daran, dass innerhalb einer 5jährigen Planungszeit für den Neubau der Brücke entlang der B70 nahe der Raffinerie in Lingen ein umsetzungsreifes Konzept erarbeitet werden kann?

Wer nimmt das Heft des Handelns in die Hand und bringt Straßenbaubehörde, Stadtverwaltung, Kreisverwaltung und die Geschäftsführung der BP Standort Lingen an einen Tisch?

Miteinander – statt übereinander reden

Die Anforderung lautet: wir brauchen eine tragfähige Brücke über den Dortmund-Ems-Kanal. Die Idee kommt aus Utrecht. Die Vision können wir aus Kopenhagen ableiten. Und die Möglichmacher sitzen hier in der Region.

SmartCity ist überall und startet immer im Kleinen. Dabei kann es am Ende etwas Großes werden.